Warum ich manchmal Katzen zähle
- Jannik Bärmann
- 9. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Ein fester Bestandteil meines Alltags ist es morgens vor dem Frühstück joggen zu gehen. Es gibt Tage an denen ich sehr schnell meinen Rhythmus finde, in den Flow komme und die Kilometer sich mühelos anfühlen. Tage, an denen ich die morgendliche Stille und den Sonnenaufgang genießen kann und einfach nur glücklich und dankbar dafür bin, das alles erfahren zu dürfen.
Und dann gibt es Tage, an denen ich vom ersten Kilometer an nur daran denke, wie viel noch vor mir liegt und wie schön es gewesen wäre, noch eine Weile länger in meinem Bett liegen bleiben zu können.
Neulich war wieder so ein Tag. Ich hatte Muskelkater vom Training am vorherigen Tag und mein einziger Gedanke war, warum ich das alles eigentlich gerade mache.
Bis ich eine Katze auf einem Feld gesehen habe. Und ein paar Minuten später eine weitere. Ich habe zum Spaß damit angefangen die Katzen zu zählen, die mir auf meiner Strecke begegnet sind und hatte plötzlich ganz andere Gedanken und Fragen in meinem Kopf: wie viele Katzen werde ich wohl sehen, bevor ich wieder zuhause bin? Werde ich mehr Katzen sehen, als ich Kilometer gelaufen bin?
Der gleiche Lauf, von dem ich am Anfang dachte, dass er nicht schnell genug hätte enden können, hat sich von einem Moment zum anderen zu einer ganz neuen Erfahrung entwickelt. Ich habe aufmerksam meine Umgebung beobachtet und Dinge entdeckt, die mir in all den Jahren noch nie aufgefallen waren. Und das, obwohl ich seit Jahren die gleiche Strecke laufe. Bevor ich überhaupt wieder an die Kilometer dachte, stand ich schon vor meiner Haustür.
Später habe ich darüber nachgedacht, was an diesem Morgen passiert ist. Wie konnte sich etwas, das mir überhaupt keinen Spaß gemacht hat und das nicht hätte früh genug enden können in das komplette Gegenteil verändern? Und das, obwohl sich objektiv gesehen absolut nichts geändert hat?
Hätte mich eine außenstehende Person beobachtet hätte sie nur gesehen, dass ich laufe, mehr nicht. Das Einzige, was sich verändert hat: die Richtung meines Bewusstseins. Ich habe mich nicht mehr auf die Dinge konzentriert, die das Laufen erschwert haben, sondern darauf, was es spannend macht. Die vielen Dinge, die ich jeden Morgen sehe, aber bisher nicht beachtet habe. Und mir wurde bewusst, das dies etwas ist, was mir auch im Alltag helfen kann.
Wenn ich bei der Arbeit ein schwieriges Gespräch hatte oder etwas nicht so verläuft, wie ich es geplant habe. Oder wenn ein Zug mal wieder eine Verspätung hat und ich am Bahnhof stehe und warte. All das sind Dinge, auf die ich keine Einfluss habe. Auf was ich aber einen Einfluss habe ist, worauf ich mein Bewusstsein richte. Es ist meine eigene Entscheidung, ob ich die negativen Gedanken, die in solche Momenten entstehen, zulasse und ihnen meine Beachtung schenke, oder ob ich mich bewusst auf etwas schöneres konzentriere. Keine Situation ist von Grund auf "gut" oder "schlecht", es ist unsere eigene Entscheidung, die sie zu etwas Positiven oder Negativen macht. Nur läuft diese Entscheidung so gut wie immer unbewusst ab.
Also, wenn du selbst mal wieder in eine solche Situation kommst, in der du alles als negativ empfindest, schließe deine Augen und nimm drei tiefe Atemzüge. Und wenn du deine Augen wieder öffnest, fang an ganz bewusst auf deine Umgebung zu achten. Fang damit an die Welt mit den Augen eines Kindes zu betrachten. So, als ob alles neu wäre. Und wenn dir das nächste Mal alles grau erscheint – zähl einfach Katzen.


