Veränderung beginnt im Kopf: Über Angst, Gewohnheiten und den Mut zum Neuanfang
- Jannik Bärmann
- 16. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
„Even hell can get comfy once you’ve settled in.“
Dieser Satz aus dem Lied "Hospital for Souls" von der Band "Bring Me The Horizon" bringt eine harte Wahrheit auf den Punkt: Selbst an schwierige oder belastende Situationen können wir uns so sehr gewöhnen, dass sie uns irgendwann vertraut erscheinen. Manchmal so sehr, dass es schwerfällt, sich überhaupt etwas anderes vorzustellen – selbst dann, wenn wir tief im Inneren unglücklich sind. Es gibt viele Gründe, warum Menschen in solchen Mustern verharren. Und manchmal sind psychische Krankheiten ein Auslöser. Falls du das Gefühl hast, in einer ähnlichen Situation zu stecken, möchte ich dich ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen – denn solche Gefühle sind ernst und verdienen Unterstützung.
In diesem Artikel möchte ich genauer darauf eingehen, warum Veränderungen uns oft so große Angst machen – und weshalb wir uns selbst dann an das Bekannte klammern, wenn es uns unglücklich macht. Vor allem aber möchte ich die Frage erörtern, was uns ganz konkret hilft, ins Handeln zu kommen.
Unsere Gewohnheiten entstehen oft dadurch, dass wir einmal etwas ausprobiert haben – und es hat funktioniert. Es hat uns das gewünschte Ergebnis gebracht, also wiederholen wir es. Mit der Zeit halten wir immer stärker daran fest, selbst dann, wenn es vielleicht gar nicht mehr zu dem führt, was wir heute eigentlich wollen.
Warum fällt es uns also so schwer, vom Vertrauten loszulassen – selbst wenn ein neuer Weg möglicherweise zu einem besseren Ergebnis führen könnte?
Ein kleines Beispiel: stell dir vor du gehst zum ersten Mal in ein neues Restaurant. Du wirst dir die Speisekarte anschauen und das bestellen, was sich am besten anhört. Vielleicht fällt es dir schwer, eine Entscheidung zu treffen, weil sich mehrere Gerichte so lecker anhören. Wenn das Essen am Ende auch so gut geschmeckt hat und du zu einem späteren Zeitpunkt mal wieder in das selbe Restaurant gehst, wirst du mit einer hohen Wahrscheinlichkeit das selbe Gericht erneut bestellen. Und warum? Weil du es schon kennst und weißt, dass es dir schmecken wird. Würdest du ein neues Gericht ausprobieren, würdest du das Risiko eingehen etwas zu essen, das eben nicht an das vorherige Essen ran kommt. Du verpasst aber gleichzeitig die Chance, etwas zu finden, das dir vielleicht noch besser schmeckt.
Natürlich ist die Wahl eines Gerichts in einem Restaurant ein sehr harmloses Beispiel. Doch genau dieses Prinzip – sich lieber für das Bekannte zu entscheiden, um ein Risiko zu vermeiden – begegnet uns auch in viel größeren Lebensfragen: Menschen bleiben in Jobs, die sie auslaugen und nicht mehr erfüllen. In Beziehungen, die längst nicht mehr auf Liebe basieren. In Städten, die sie einengen. Und all das nicht, weil sie damit glücklich, sondern sie damit vertraut sind. Weil das Bekannte weniger beängstigend ist, als das Unbekannte. Veränderung bedeutet immer auch Unsicherheit. Und wo Unsicherheit ist, taucht oft Angst auf.
Unser Gehirn liebt Sicherheit – und das hat evolutionäre Gründe. Im Steinzeitalter konnten selbst kleine Entscheidungen über Leben und Tod entschieden. Deshalb ist unser Denken bis heute darauf ausgerichtet, potenzielle Gefahren zu vermeiden – und dazu gehört alles, was neu oder unbekannt ist.
Hinzu kommt: Alte Gewohnheiten sind oft längst ein Teil unserer Identität geworden. Wer bin ich, wenn ich den Job kündige, den ich schon so viele Jahre mache? Wer bin ich ohne diese Beziehung – auch wenn sie mich tief im Inneren unglücklich macht?
Doch was tun, wenn ich genau an diesem Punkt stehe – unglücklich mit dem, was ist, aber voller Angst vor dem, was kommen könnte? Wie finde ich den Mut, den Schritt ins Unbekannte zu wagen?
Als erstes hilft es vielleicht schon, wenn du dir klar machst, dass auch deine jetzige Situation mit einem Schritt ins Unbekannte begonnen hat: der Job, der dich jahrelang erfüllt hat, hat mit einer Bewerbung begonnen. Die Beziehung, an die du viele schöne Erinnerungen hast, hat mit der Entscheidung angefangen, einem Date eine Chance zu geben. Du hast den Schritt ins Unbekannte schon mal gewagt, wahrscheinlich aus dem gleichen Grund warum du dir jetzt überlegst, ihn wieder zu tun: du wolltest etwas verändern. Und es hat sich gelohnt, du warst anschließend glücklicher als zuvor.
Als zweites: Die wenigsten Entscheidungen sind endgültig. Nur weil du dich heute in eine neue Richtung bewegst, heißt das nicht, dass du nie wieder die Richtung ändern darfst. Jeder Schritt ist reversibel oder anpassbar. Wenn du merkst, dass dich ein Weg nicht weiterbringt, kannst du jederzeit einen anderen einschlagen.
Und zuletzt – vielleicht das Wichtigste: Fang klein an. In unserem Kopf ist eine Entscheidung oft etwas Riesiges, das zu einer Veränderung führt, die unser ganzes Leben von einem Moment zum Nächsten auf den Kopf stellt. Stell dir die Frage, was der allererste und kleinste Schritt sein könnte, der längerfristig zu einer Veränderung führen kann. Wenn du unzufrieden mit deinem Job bist, dann wäre der erste Schritt beispielsweise dich nach Stellenangeboten umzuschauen. In diesem Moment hast du noch gar nichts Konkretes beschlossen, du hast nur damit begonnen, dich gegenüber einer neuen Option zu öffnen. Und dies ist der wichtigste Schritt um eine Veränderung zu bewirken.
Veränderungen fühlen sich nie leicht an. Sie sind immer mit einem Schritt aus der Komfortzone verbunden. Du musst nicht von heute auf morgen dein komplettes Leben umkrempeln. Aber du musst dich auch nicht mit etwas abfinden, das dich unglücklich macht. Du darfst den Mut haben, Neues auszuprobieren und es ist völlig in Ordnung wenn etwas mal nicht so funktioniert, wie du es dir vorgestellt hast. Veränderung ist nie ein Ende – sondern immer ein neuer Anfang.


